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Eine Yamadoritour - persönliche Impressionen

 
 

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Noch sitzen wir, meine Frau und ich, bei dampfenden Knödeln und Bier in der Gastwirtschaft im Tal, vor unseren Augen eine wildromantische Gebirgslandschaft. Das Bonsaijagdfieber hat sich noch nicht eingestellt, wir reden zwar über die letzten Touren, über die Strapazen und wie es war, als uns die Dunkelheit beim Rückweg überraschte - na ja, dieses Mal wird uns das nicht passieren und vor allem genießen wir jetzt einmal unser deftiges Mittagessen.

Im Tal ist Frühling, unsere Tour wird uns in die Schneeregion führen, gerade jetzt beginnen die Bäumchen oben auszuapern, der ideale Zeitpunkt fürs Ausgraben. Einen Kandidaten habe ich mir schon beim letzten Mal "reserviert", eine Lärche, die ganz niedergeduckt am Rande eines Geröllfeldes wächst, sie soll in den Rucksack meiner Frau wandern. Wir aber wollen noch höher steigen und sie dann auf dem Rückweg ausgraben.

Die erste Etappe nehmen wir mit den Mountainbikes, die Forststraße wird jedoch sehr schnell sehr steil und wir verlegen uns auf das Schieben, insgeheim freuen wir uns schon auf eine rasante Abfahrt.

Nach einer Stunde steigen wir in eine Lawinenschneise ein, die Räder bleiben im Latschendickicht. Ein riesiger Lawinenkegel türmt sich vor uns auf und lässt erahnen, welche Naturgewalten hier frei werden. Ein Blick nach rechts zeigt ein breites Band von niedergewalzten Bäumen.

Wir gehen im freien Gelände, kein ausgetretener Pfad führt hier nach oben, nur hin und wieder treffen wir auf Wildspuren. Das Gehen ist mühsam, Gesteinsbrocken, die die Lawine mitgerissen hat, erschweren das Trittfassen. Hier haben alle Bäume ein ähnliches Aussehen: Irgendwann wurden sie von herunterdonnernden Schneemassen oder Steinen geköpft. Nun wachsen sie ins Gelände geduckt unbeirrt weiter, nur manche Baumgerippe zeugen von einem verlorenen Kampf.

Als nächstes steuern wir einen Rastplatz unter einem Geröllfeld an. Während wir uns stärken, blicken wir hinunter. Direkt unter uns liegt der Almboden - beeindruckend schön!

Nun wird es interessant: Wir befinden uns schon in einem Gebiet, in dem durch die Natureinflüsse Bäume verzwergen. Waren es weiter unten noch beeindruckende "Naturbonsai", so treffen wir hier schon auf Baumzwerge mit sehr interessantem Aussehen. Besonders an exponierten Stellen wachsen Exemplare, die das Herz eines jeden Bonsaianers höher schlagen lassen.

Wir aber müssen noch weiter hinauf - hier hat sich die Schneedecke schon zurückgezogen, die Lärchen tragen schon ihr Grün.

Das Geröllfeld wird durchstiegen, immer wieder wechselt die Größe der Steine, wir halten uns an die großen Brocken, das erleichtert das Gehen einigermaßen. Wir passieren eine Stelle, an der ich vor zwei Wochen eine wunderschöne Lärche ausgegraben habe. Es ist schon ein respekteinflößendes Gefühl nun einen Baum in der Obhut zu haben, der hier für vielleicht 200 Jahre Wind und Wetter getrotzt hat (diesen Baum werde ich demnächst auf meiner Homepage präsentieren).

Seit gut zwei Stunden sind wir nun unterwegs und die Ausläufer der ersten Schneefelder kündigen sich an. Der Schnee ist trotz frühlingshafter Temperaturen fest, es ist angenehm griffig nach dem mühsamen Gehen im Geröll. Lediglich in den Randzonen der Schneefelder heißt es aufpassen, hier klaffen gefährliche Löcher.

Nun sind wir in einer Höhe, wo wir den Beginn des Frühlings nochmals erleben: aufgeblühte Schneerosen, duftender Seidelbast zeugen vom neu aufkeimenden Leben.

Die letzten Steigungen überwinden wir, nachdem wir unsere Trinkvorräte ergänzt haben. Unser Ziel wird bald erreicht sein: eine Hochfläche, auf der große Lärchen stehen - eine Szenerie, die man nach so einem Aufstieg nicht erwarten würde.

Jetzt heißt es auswählen, unzählige, verzwergte Lärchen werden nach Stammstärke und Verzweigungsdichte geprüft. Oftmals muss man in die Bäumchen hineinkriechen, die überdichte Verzweigung verhindert den Blick auf den Stamm.

Schlussendlich muss eine Entscheidung fallen, die Zeit ist fortgeschritten, das anfänglich schöne Wetter hat umgeschlagen, Nebel kommt auf, es wird unangenehm kühl. Eines ist klar: Hier oben wollen wir nicht die Nacht verbringen! Schon jetzt ist sicher, dass ich auf den zweiten Baum wohl verzichten werde müssen, es würde zu spät werden.

Es sind schon Routinehandgriffe: durch Zug die Lage der Hauptwurzeln feststellen, Gestein wegwälzen, Graben ziehen, Wurzeln durchtrennen - dennoch, dieses Mal ist es anders! Dieser Baum hat keine starken Hauptwurzeln, die es zu durchtrennen gilt, sein Wurzelsystem ist mehr oder weniger fein verzweigt. Allerdings: Dazwischen befindet sich eine Unmenge von Gestein - der Baum wäre so zu schwer. Also heißt es vorsichtig Ballast abzuwerfen. Ich schwitze, meiner Frau ist kalt. Nach einer dreiviertel Stunde ist der Baum gut verstaut im Rucksack.

Ab nun beginnt die wirkliche Qual. Mit einer nicht geringen Last am Rücken treten wir den Rückweg an. Ich hoffe, es mit wenigen Pausen bis zum Almboden zu schaffen, denn es dämmert schon, Nieselregen hat sich eingestellt, und wenn wir die Fahrräder noch benutzen wollen, müssen wir vor der Dunkelheit unten sein.

Beim Abstieg reduzieren sich die Gedanken darauf wie es sein wird, wenn man es geschafft hat, wenn die "Neuerwerbung" im Kofferraum verstaut ist, und man bei Dosenbier den Klängen des Boss lauschend mit dem Auto heimzuckelt.

Aber noch ist es nicht so weit, die Steine, das Laub, alles ist nass - der Rückweg dauert länger als angenommen.

Als wir schließlich unsere Räder aus den Latschen ziehen, ist es beinahe dunkel und aus der vorgestellten rasanten Talfahrt wird nichts. Langsam bremsen wir uns dem Tal entgegen.

Schließlich ist es aber doch so wie vorgestellt: Das Dosenbier wird gekappt, der Boss singt und spätestens nach einigen Kilometern Fahrt wissen wir: Wir werden wiederkommen.